Herbst Tag- und Nachtgleiche ~ 21. September

Alban Elued: Das Fest der Herbst-Tagundnachtgleiche
Wenn Licht und Dunkelheit innehalten: Über das Mysterium des Gleichgewichts und die Fülle der inneren Ernte
Das Fest Alban Elued, die Herbst-Tagundnachtgleiche, markiert jenen tiefgründigen Punkt im Rad des Jahres, an dem die Kräfte der Finsternis und des Lichts in ein vollkommenes Gleichgewicht treten. Es ist eine Zeit der eingebrachten Ernte, der stillen Dankbarkeit und der philosophischen Reflexion über das Erreichte. Gleichzeitig ist es der Moment des Abschieds vom Licht und die bewusste Vorbereitung auf die stille, innere Einkehr des nahenden Winters.
Das Jahresrad, in seiner unendlichen Drehung, pausiert für einen Augenblick, wenn die Sonne im Westen steht – an jenem Ort, der symbolisch für das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit steht. Dies ist die Zeit von Alban Elued, gefeiert in den Tagen zwischen dem 20. und 23. September, wenn die Nacht wieder exakt dieselbe Länge wie der Tag erreicht. Es ist eine Phase der großen Gezeiten, ein Moment des Innehaltens, der oft ergreifender und von einer tieferen Stille geprägt ist als das aufstrebende, keimende Gleichgewicht des Frühjahrs.
Die Zeit der Fülle: Was lehrt uns die eingebrachte Ernte?
Die Felder sind nun leer, die Speicher hingegen gefüllt. Die Ernte ist eingebracht. Nun beginnt eine Zeit des Annehmens dessen, was wir durch Mühe, Geduld und das Wirken der Natur errungen haben. Es ist eine Phase des bewussten Nachdenkens, eine Retrospektive auf das, was wir im vergangenen Zyklus erreicht haben.
Alban Elued ist das große Erntedankfest. Wir feiern die Gaben und bitten um ein weiteres Jahr voller nährender Feldfrüchte und ausreichend Nahrung. Es ist die Zeit der Abrechnung des Jahres; die Vorräte werden bemessen, um sicherzustellen, dass sie Menschen und Tiere gleichermaßen durch die bevorstehenden kalten und dunklen Tage bringen.
Das weibliche Prinzip, der Geist des Landes selbst, manifestiert sich nun in der vollen Fülle der Ernte, die sie den Menschen darbietet. Es ist der verdiente Lohn für die verrichtete Arbeit und, wichtiger noch, für die Ehrfurcht vor dem Land. In dieser Fülle liegt die erfüllte Verheißung der Tage des Frühlings und des Sommers.
Das Mysterium des Gleichgewichts: Mehr als nur ein Kalendertag
Das Fest der Herbst-Tagundnachtgleiche ist jedoch weit mehr als ein agrarischer Meilenstein. Es ist eine tiefgründige Einladung an den menschlichen Geist, die verborgenen Geheimnisse des Gleichgewichts zu verstehen. In einer modernen Welt, der „Matrix“, die oft von extremer Polarität, von der Spaltung des Denkens und der Entfremdung von den natürlichen Zyklen geprägt ist, mahnt uns dieser Moment zur Einkehr.
Oft ist es das stillste aller Feste, denn die wahre Balance findet sich nicht im Lärm der Ablenkung, sondern in der kontemplativen Ruhe. Es geht um das Streben nach Erkenntnis, dass wahre Fülle nicht im endlosen Anhäufen materieller Güter liegt, sondern im bewussten Annehmen und Wertschätzen dessen, was ist. Der „alte Pfad“ lehrt uns das holistische Weltbild des Zyklus: das Säen, das Wachsen und das Ernten. Es ist die Anerkennung der essenziellen Einheit von Licht und Schatten, von Aktivität und Ruhe, von Geben und Nehmen.
Der Abschied vom Licht: Wenn die Sonne ihre Kraft neigt
Die Beobachtung der natürlichen Zyklen offenbart eine fundamentale Wahrheit, welche unsere Ahnen zutiefst verinnerlicht hatten. Zu dieser Zeit sahen sie, dass die Sonne, das große Lebenslicht, zum ersten Mal seit einem halben Jahr nicht mehr die Kraft besaß, die Dunkelheit vollständig zu überstrahlen.
Sie scheint zwar immer noch stark am Horizont, doch ihre Kraft schwindet unweigerlich mit jedem kürzer werdenden Tag. Ihre Dominanz neigt sich dem Ende zu, und die Dunkelheit, das Prinzip der Introversion und des Rückzugs, wird weiter wachsen. Es ist eine Zeit des bewussten Abschieds und der tiefen, getragenen Dankbarkeit für den Sommer, der gewesen ist. Wir hören das Echo der Ahnen, das uns an die Notwendigkeit der Vergänglichkeit und die Ordnung der Schöpfung erinnert.
Die innere Einkehr: Von der Werkstube und dem Apfel Avalons
Wenn die Arbeit auf den Feldern ruht, beginnt mit Alban Elued das Wirken in den Häusern und Werkstuben. Die Verarbeitung der Ernte steht an. Dieser Vorgang ist nicht nur ein materieller Akt der Konservierung, sondern ebenso ein spiritueller.
Bei unseren Vorfahren stand das Spinnen symbolisch im Vordergrund. Man sagte, dass auch die Göttin, die große Weberin des Schicksals, zu dieser Zeit ihr Spinnrad aufnimmt. Die feinen, im Morgenlicht glitzernden Spinnfäden des Altweibersommers gelten als jene Fäden, die dem Spinnrad der Frau Holle entstammen. Sie weben den Teppich des Werdens, des Vergehens und der ewigen Erneuerung.
Auch die Apfelernte in dieser Zeit trägt eine tiefe Symbolik für die Lebensernte des Menschen. Der Apfel, quer geteilt das Pentagramm der Elemente offenbarend, ist das uralte Symbol für Avalon, das keltische Apfelland – ein Bild für die Anderswelt, die Welt des Geistes. Das Einbringen der Äpfel wird so zum Einbringen der Früchte der Selbsterkenntnis, der Weisheit und der Wahrheit, die im Inneren gereift sind.
Vertrauen in die Wiederkehr
Alban Elued ist eine Zeit des Staunens und der tief empfundenen Dankbarkeit für die Gaben, welche die Göttin auf ihr Volk herabregnen lässt. Dennoch, und dies ist die ernste Essenz dieses Festes, verwandelt sich nun das Licht unaufhaltsam in Dunkelheit. Die extrovertierte Kraft der Natur schwindet; sie zieht sich in die Wurzeln des Seins zurück.
Bald werden Samhain, das Fest der Ahnen, und die alte Göttin in ihrem Aspekt der Weisen Alten die Macht über das Jahresrad übernehmen. Wir lassen uns ein auf die dunkler werdenden Tage. Doch dieses Einlassen geschieht nicht in Angst oder Widerstand, sondern voller Vertrauen auf die göttliche Verheißung eines neuen Lichts. Denn im tiefsten Dunkel liegt der Keim der Wiedergeburt bereits sicher verborgen, wartend auf den nächsten Zyklus im großen Webteppich des Lebens.
Der keltische Jahreskreis
Das Rad des Jahres verstehen. Dieser Beitrag ist Teil unseres großen Überblicks.
DRUVIDES – Handbuch der Feste und Rituale
Brauchtümer, Riten, Zeremonien, Feste und Rituale sind Erlebnisse der freien spirituellen Entfaltung. Sie bieten eine ganzheitliche Erfahrung mit der Verbundenheit der Erde und des Weltenalls. Wir spüren in uns hinein und lassen die Kraft des Lebens durch uns strömen. Die Energien dieser Tage weisen uns den Weg. Sie verändern uns tief im Inneren und erweitern unser Bewusstsein und das Verständnis für die Natur und ihre Kräfte.
Um die Menschen zu inspirieren den alten Pfad zu beschreiten haben wir das DRUVIDES Handbuch der Feste und Rituale erstellt.

